Foto: ©Danielle Liniger www.danielleliniger.com

Adoptiere dein inneres Kind

Wollen Menschen lernen, mehr auf ihre weise, innere Stimme zu achten, begegnen sie oft der Herausforderung, die Zeichen, Reaktionen und Bedürfnisse des inneren Kindes nicht mit denen der weisen, inneren Stimme zu verwechseln.

Alle erwachsenen Menschen sind Eltern. Auch jene, die keine Kinder haben. Denn wir alle sind Mutter und Vater unseres eigenen inneren Kindes, das uns braucht. Eine liebevolle Beziehung zum inneren Kind zu haben, macht vieles im Leben einfacher.

Denn unser inneres Kind trägt alle entwicklungsbehindernden Prägungen und Glaubenssätze sowie schmerzhaften Erlebnisse aus der Kindheit in sich. Eine verständnis- und liebevolle Beziehung zum inneren Kind kann dieses Kind heilen. Dann wird es zur Quelle von Kreativität und sprudelnder Lebensfreude, die in unser Leben einziehen können.

In Liebesbeziehungen, tiefen Freundschaften und im Kontakt mit Kindern wird das innere Kind besonders oft aktiviert und braucht eine verantwortungsvolle erwachsene Person, die ihm zuhört und sich um seine Ängste und Bedürfnisse kümmert.

Und diese erwachsene Person sollten wir selbst sein. Wenn wir nicht wissen, dass Angst, Wut, Trauer, Hilflosigkeit,Wunsch nach Anerkennung usw. Äusserungen unseres inneren Kindes sind, delegieren wir das Sichkümmern um das innere Kind oft an andere. Beispielsweise an den Partner oder die Partnerin, an die Gesellschaft, den Staat, an Freunde, die Eltern und manchmal sogar an Kinder, was uns abhängig und hilflos macht.

Darum empfehle ich allen, die das noch nicht getan haben, ihr Kind zu adoptieren und die volle Verantwortung dafür zu übernehmen. So sind sie nicht mehr abhängig davon, dass es andere tun. Eltern mit Kindern empfehle ich, ihrem Kind davon zu erzählen, dass, es wenn es erwachsen wird, Mutter und Vater seines eigenen, inneres Kindes wird. Es ist jener Teil in ihm, der immer ein Kind sein wird, und der seine Zuwendung brauchen wird.

Die Adoption des inneren Kindes verbindet man vorzugsweise mit einem Ritual.

Natürlich ist es hilfreich zu lernen, woran man erkennt, dass gerade das innere Kind aktiv ist. Manche Menschen fühlen sich dann wirklich wie ein Kind. Ausgeliefert, trotzig, unfähig, sich selbst zu helfen. Manchmal werfen wir uns und anderen in solchen Momenten vor, kindisch zu sein. Wenn die Reaktion stärker ist als die Situation, die sie auslöst, wenn also eine vergleichsweise kleine Situation einen sehr grossen Schmerz, eine grosse Trauer, eine grosse Wut oder ein tiefes Verlorenfühlen auslöst, wenn wir aus einer Mücke einen Elefanten machen, dann haben wir es mit grosser Wahrscheinlichkeit mit dem inneren Kind zu tun. Ebenso, wenn wir in bestimmten Situation das Gefühl haben, dass wir nicht anders können, als so zu reagieren, wie es unser erster Impuls vorgibt, das heisst, wenn wir meinen, keine andere Wahl zu haben, dann ist es sehr hilfreich, sich innerlich und manchmal auch physisch an einen Ort zu begeben, wo wir uns in Ruhe verständnis- und liebevoll um unser inneres Kind und seine Bedürfnisse kümmern können.

Und wenn in solchen Momenten das Sich-erwachsen-fühlen, das «ich kann» resp. die innere weise Stimme gerade nicht zugänglich ist, ist es hilfreich, die Aufmerksamkeit ganz auf den gegenwärtigen Moment zu lenken. Die Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen, zu schauen, du lauschen, zu riechen und zu tasten.

Das Erwachen des Erwachsenwerdens nehmen wir dadurch wahr, dass wir fühlen, eine Wahl zu haben. Wir können dann anders. Wir können uns selbst an der Hand nehmen und uns vielleicht erinnern, woher wir dieses Gefühl kennen und welche Schlussfolgerungen wir aus jener Situation gezogen haben. Der oder die Erwachsene hat auch die Wahl und die Möglichkeit, sich hinzusetzen und die innere weise Stimme um Rat zu Fragen. Die innere Stimme ist immer weise, und sie reagiert niemals aus einem Schmerz, einer Wut, einer Beleidigung, einem Frust oder einer Angst heraus, sondern aus einem freien Zustand bedingungsloser Liebe und aus einem Bewusstsein frei von Vorstellungen darüber, wer wir sind und wie wir zu sein haben.

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