Dein Versprechen

In jedem Menschen liegt – so ist mein Empfinden – sein Versprechen an die Welt. Dieses Versprechen zu finden und zu leben, ist seine Bestimmung.

In der Stille dunkler Nächte kann dieses Versprechen erinnert werden. Manchmal auch in Träumen. Es zeigt sich dort, wo das Herz brennt und die Seele singt. Es zeigt sich in der Natur, die dem Versprechen als Spiegel dient, damit es entdeckt werden kann. Im Gesang der Vögel und im Rauschen des Windes. Es zeigt sich in tiefen Verbindungen mit Menschen, in denen alles an die Oberfläche bricht, was dem ureigenen Versprechen noch im Weg steht. Es zeigt sich in Bildern und Geschichten, die uns aufsuchen und uns wie Freunde den Weg weisen. Es zeigt sich in Tänzen, Liedern, Kreationen und Kunst aller Art, die durch uns in die Welt fliessen. Es zeigt sich im Kuss des Geliebten und ruft uns in sehnsuchtsvollen Momenten. Es offenbart sich in tiefer Verbindung mit dem Körper, verbirgt sich im Sturm heftiger Emotionen und leuchtet in den uns innewohnenden Bildern einer anderen Zeit. Unser tiefstes Versprechen entfaltet sich, wenn wir mutig alle Vorstellungen davon, wie wir gelernt haben zu sein, loslassen, um uns dem Leben in schutzloser Hingabe anzuvertrauen.

Es ist Zeit, dass wir uns an unser Versprechen erinnern. An unseren ureigenen Beitrag an eine Welt im Gleichgewicht. Und daran, dass jede und jeder ein solches Versprechen in sich trägt. Darum ist es hilfreich, wenn wir immer wieder still werden und lauschen. Wenn wir unseren Träumen mehr Aufmerksamkeit schenken und besondere Traummomente mit dem Bewusstsein des Tages noch einmal besuchen.

Es wäre hilfreich, wenn die Momente, in denen das Herz brennt und die Seele singt, unsere volle Aufmerksamkeit erwecken würden, und wenn wir unsere Aufenthalte in der Natur so gestalten würden, dass wir von ihr lernen können. Es wäre hilfreich, wenn all das, was uns an anderen Menschen stört und ärgert, als Teil dessen verstanden werden könnte, was uns unserem Versprechen näherbringt. Es wäre hilfreich, wenn wir in inneren Bildern und ungewöhnlichen Geschichten, die uns erreichen, besondere Hinweise erkennen würden, wenn kreativen Einfällen Raum und Zeit gegeben würden und dem bewertenden Geist eine Pause verordnet würde. Um unsere Versprechen zu erinnern, wäre es hilfreich, wenn jeder Kuss an das Wunder in uns erinnern und der tiefsten Sehnsucht – nämlich der, im Einlösen des Versprechens Heimat zu finden – Ausdruck verliehen würde. Es wäre hilfreich, sich regelmässig tief mit dem Körper zu verbinden, mutig alle Emotionen zu fühlen, anstatt sie zu unterdrücken oder auszuagieren, und die innewohnenden Bilder als weise Gefährten zu verstehen und sie nicht als Einbildungen abzutun, die schon im Kindesalter nicht ernst genommen wurden, weil die Elfe hinter dem Baum und das Monster unter dem Bett nicht existieren durften. Es wäre hilfreich, wenn wir uns gegenseitig dabei helfen würden, Vorstellungen loszulassen, wie wir zu sein haben, und bereit wären, uns selbst, die anderen und die Welt jeden Tag neu kennenzulernen im tiefen Wissen, dass jede und jeder ein Versprechen in sich trägt, das entdeckt und eingelöst werden will.

Mein Versprechen an die Welt ist, dass ich mein Leben – also Lebenszeit, Kraft, Energie und Liebe – dafür gebe, Menschen an die Existenz ihres Versprechens zu erinnern. Und dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten mein Bestes gebe, all jene zu begleiten, die sich bei ihrer Entdeckungs- und Erinnerungsreise Begleitung wünschen.

Gemeinsam kann es leichter sein, sich tief mit dem Körper zu verbinden, den Weg zu schmerzhaften Emotionen zu bahnen, den Bildern nächtlicher Träume noch einmal zu begegnen, Vorstellungen loszulassen, die Zeichen des Lebens zu verstehen, Wunden zu heilen, die dem Versprechen im Weg stehen, und dem zu vertrauen, was uns den Weg nach Hause weist, dahin, wo unser tiefstes Versprechen auf uns wartet wie eine Geliebte oder ein Geliebter, die oder der unser Leben mit tiefster Lebendigkeit füllt.

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