Die Kunst und Kraft des Zuhörens

Wie oft hörst du einfach zu? Mit ganzem Herzen, mit deiner ganzen Aufmerksamkeit und so lange, wie es braucht?

Wie oft ist dir zugehört worden?

Wertfrei und offen?

Ich hatte als Kind die Chance, viel in der Natur zu sein. Oft war ich allein inmitten von Bäumen und habe, einzig mit meinem Notizbuch, in das ich manchmal Gedichte schrieb, gewartet, bis die wärmende Sonne den Berg heraufgekrochen war. Wenn ich zurückdenke, erinnere ich mich an eine Natur, die gelauscht hat. Umgeben von lauschenden Blättern und Winden habe ich lauschen gelernt.

Ich habe das Rascheln der Tiere gehört, das Klopfen des Spechts, den Kuckuck, die Schafe, die weiter unten grasten. Lauschen war spannend. Und es machte mich still und demütig. Von der Natur habe ich gelernt, dass alles zu seiner Zeit kommt und die Kirschen reif sind, wenn es so weit ist und nicht früher. Ich habe gelernt, dass alles im Wandel ist und dass Loslassen dazugehört. Ich habe Grosszügigkeit gelernt, denn die Natur schien nichts zurückzuhalten. Ich hatte Achtsamkeit gelernt im steinigen Gelände, wo es auch stachelige Kastanien und Schlangen gab.

Was mich bis heute fasziniert, ist die Tatsache, dass ich nicht nur das Lauschen nach aussen, sondern auch das Lauschen nach innen lernte. In meiner Erinnerung war das Lauschen nach innen und das Lauschen nach aussen irgendwie das Gleiche.

Heute denke ich, dass es da wirklich einen Zusammenhang gibt und dass wir nur wirklich nach aussen lauschen können, wenn wir auch nach innen lauschen können und umgekehrt.

Meine Arbeit zeigt mir, dass viele Menschen nicht gelernt haben, wirklich zu lauschen. Denn vielen ist nur wenig zugehört worden und wenn, dann meist von einem bewertenden Ohr, das beurteilte, ob das Gesagte nun gut oder schlecht ist, richtig oder falsch. Viele haben Zuhörende erlebt, die bewaffnet waren mit Ratschlägen und ganz vielen eigenen Ideen und Erfahrungen zum Thema und somit nicht bereit, wirklich wertfrei und präsent zu lauschen.

Die Kraft des wertfreien und ganz präsenten Zuhörens aber ist, dass eine grosse Chance besteht, dass die erzählende Person, getragen von bedingungsloser Liebe, sich irgendeinmal die Antworten selbst gibt. Manchmal erst später. Und manchmal erhält die zuhörende Person plötzlich eine Eingebung aus dem Dasein heraus, die vorher nicht da war. Eine Erkenntnis, die wie ein Geschenk vom Himmel fällt und die die zuhörende Person am Ende vielleicht mitteilen mag. Oft ist es eine Erkenntnis, die für beide ein Geschenk ist.

Zuhören kann uns sehr entlasten, zum Beispiel dann, wenn wir meinen, wir müssten Dinge wissen, die wir gar nicht wissen können. Zum Beispiel, was unsere Angestellten, Freunde und unsere Liebsten brauchen, um glücklich und zufrieden zu sein.

Wenn wir versuchen herauszufinden, was die andere Person für ein Problem hat, warum ihre Emotionen jetzt so stark sind, obwohl die Situation doch nicht so schlimm war oder warum wichtige Dinge nicht umgesetzt werden, obwohl sie geplant sind. Zuhören kann klären. Zuhören kann Frieden bringen, wo Spannungen und Missverständnisse waren. Zuhören ist heilsam.

Viele Menschen haben irgendeinmal und oft mehrmals erlebt, dass sie sich ganz offen und frei von ihrer natürlichsten, freisten, kraftvollsten, verletzlichsten und schönsten Seite gezeigt haben und nicht gehört und gesehen wurden. Das ist schmerzhaft. Und diesen Schmerz versuchen wir zu vermeiden. Was dazu führt, dass wir unser schönstes Licht oft verborgen in einem sicheren Winkel unserer Persönlichkeit geschützt halten.

Die tiefste Kraft des Zuhörens liegt meiner Meinung nach darin, dass dieses Licht hervorgeholt wird, was die Menschen befreit und die Welt lichtvoller und schöner macht.

Falls du Interesse hast

dich im Zuhören zu üben, gehe in die Natur und lausche, oder melde dich an für ein Coaching, Paarcoaching oder organisiere/initiiere einen Corporate Workshop für dein Team oder eine Interessengruppe.

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