20 Jahre Selbständigkeit (Teil 4): Meditation

Seit etwa 12 Jahren meditiere ich jeden Morgen. Unbewusst habe ich die Stille aber schon viel früher gesucht. Es muss ungefähr 2001 gewesen sein, als ich eine Wohnung hatte, aus der ich vom Sofa aus direkt auf einen Baum schauen konnte. Jeden Morgen sass ich da, trank meinen Tee und schaute den Baum an. Ich beobachtete seine Veränderungen im Lauf der Jahreszeiten, bemerkte das Kommen und Gehen des Lichts am Morgen. Dieses Mich-Verbinden mit dem Baum, mit der Natur, mit den Jahreszeiten und mit mir selbst tat mir gut und in mir wurde es dabei angenehm still.

Einige Jahre später lernte ich in einem Workshop für kreatives Schreiben erste Meditationstechniken. Mit geschlossenen Augen und geradem Rücken sassen wir auf Stühlen und zählten innerlich von 1 bis 10 und wieder von vorn. Das war ganz einfach für mich, und ich merkte sofort, dass es mir guttat. Am Nachmittag führte die Kursleiterin uns durch eine Gehmeditation in der Natur, und ich spürte auch hier, wie etwas in mir sich löste, weicher und offener wurde. Und so fing ich an, diese Übungen jeden Morgen zu machen. Ein paar Wochen später lernte ich eine Meditation kennen, bei der man sich eine Verbindung vom Kopf nach oben in den Himmel und vom Steissbein nach unten in die Erde vorstellt. Auch diese Meditation machte ich jeden Tag. Ich begann mit 10 Minuten und weitete meine Meditationspraxis nach und nach auf 40 Minuten aus.

Schon bald merkte ich, wie ich innerlich ruhiger wurde. Selbstzweifel verschwanden. Wenn ich unausgeglichen war, das Leben an mir herumzerrte, mich gefühlt in Stücke riss, wenn Spannungen kaum auszuhalten waren, der Liebeskummer wie ein Messer in meinem Herzen steckte oder der Alltag mich von mir wegzog, brachte mich die Meditation zurück nach Hause. Zu mir, in meine Mitte, wo mich nichts erschüttern konnte, weil ich mit nichts identifiziert war. Wenn ich in meiner Mitte bin, kann mir nichts genommen werden, was eine grosse Befreiung ist.

Allmählich vertiefte ich meine Erfahrungen und lernte mit den Jahren weitere Meditationsformen kennen. Das Wichtigste in allen Meditationen ist für mich die Erfahrung meiner Essenz (auch Selbst oder Seele). Verbunden mit meiner Essenz bin ich weder mit meiner Berufsbezeichnung noch mit meinen politischen Einstellungen, weder mit meinem Aussehen noch mit meinem Alter, weder mit materiellen Dingen noch mit meiner Nationalität oder sonst etwas identifiziert. Denn im Grunde sind das alles einfach nur Beschreibungen, an denen man sich festhalten kann, wenn der Bezug zur Essenz fehlt. Im Erleben meiner Essenz fühle ich mich frei. Da bin ich einfach. Ich kann loslassen und fühle mich wertvoll, liebenswert und willkommen. So kann ich regenerieren und fühle mich gleichzeitig einzigartig und doch mit allem verbunden, weil jede Lebensform eine einzigartige Essenz hat. In diesem Bewusstsein kann ich anderen Menschen bedingungslos und offen begegnen. Wenn ich ihre politischen Einstellungen, ihre Werte, Lebensformen, Ansichten und Interessen nicht teile, kann ich mich ihnen trotzdem verbunden fühlen. Diese Erfahrung wünsche ich allen. Denn sie ist ein grosser Schritt in Richtung Frieden, Akzeptanz und Gesundheit. In uns und um uns herum.

Das Meditieren hat mir also in vielerlei Hinsicht geholfen. Es fiel mir immer leichter, Vorstellungen davon, wie ich war und wie ich zu sein hatte, loszulassen, um dem zu begegnen, was mich wirklich ausmacht. Doch die ersehnte Befreiung von diesem Gefühl, in meinem Körper eingesperrt zu sein, wie ich es im vorangehenden Blog beschrieben habe, kam erst später, als ich nach langer Suche eine weitere Entdeckung machte. Davon erzähle ich im nächsten Blogbeitrag.

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