Der Verstand ist am Ende – was nun?

«Ich verstehe das einfach nicht!» Das höre ich die Menschen immer wieder sagen. Warum muss ausgerechnet diese Person so krank werden? Warum bleibe immer ich allein? Warum verhält der sich so? Warum beisst sie sich so daran fest? Wie können Menschen nur so grausam sein? Warum sind so viele Menschen unglücklich? Warum geht die nicht einfach arbeiten? Warum zerstören wir, wider besseres Wissen, weiterhin unsere Lebensgrundlage, die natürliche Welt in uns und um uns herum? Warum macht der einfach so weiter wie bisher, obwohl doch klar ist, dass es so nicht weitergehen kann? Warum ist sie deswegen so traurig? Warum macht mich das wütend? Warum bin ich unglücklich, obwohl ich scheinbar alles habe? Warum nervt mich das so? Warum macht mir das Angst? Warum kann ich das nicht einfach loslassen? Warum habe ich keine Energie, obwohl ich so viel schlafe? Was will das Leben mir mit all dem sagen?

Fragen über Fragen. Und immer wieder dieser entnervte Ausruf: «Ich verstehe das einfach nicht!»

Und hier fängt es an, interessant zu werden. Denn spätestens hier merken wir, dass der Verstand allein uns nicht alle Antworten liefern kann. Wir brauchen mehr als unseren Verstand. Wir brauchen das weise innere Wissen. Das Fühlen, den Körper, die Emotionen, die Visionen, die Intuition. Für manche Antworten braucht es sogar das helle Fühlen, das helle Sehen und das helle Wissen. Wir brauchen Menschen, die bereit sind, ihre Geschichten zu erzählen und die Gefühle zu benennen, die ihr Handeln steuern. Wir brauchen den Mut, wirklich zuzuhören und die Antworten wirklich verstehen zu wollen, sowie die Bereitschaft, die Konsequenzen zu tragen. Und wir brauchen die Geduld, die es braucht, bis die Antwort uns in ihrer ganzen Komplexität bewusst werden kann und wir sie verstehen.

Wenn wir uns selbst, andere und die Welt besser verstehen wollen, hilft es, nicht nur zu denken, sondern auch auf das Herz zu hören und das Bauchgefühl ernst zu nehmen. Es hilft, wenn wir feine Empfindungen zulassen und das Sehen, Fühlen und Wahrnehmen auf allen Ebenen weicher, weiter und tiefer werden darf. Ich frage mich schon lange, warum wir das nicht in der Schule lernen. Auch meine Klientinnen und Klienten fragen mich immer wieder: Warum hat mir das nicht schon früher jemand beigebracht? Es ist aber nie zu spät, um zu lernen, wie wir alle unsere Sinne zum Lernen und Verstehen nutzen können.

Damit kannst du anfangen: Wenn du etwas nicht verstehst, möchte ich dich einladen, es verstehen zu wollen. Wenn es einen anderen Menschen betrifft, hast du vielleicht die Möglichkeit zuzuhören, und zwar offen, immer wieder, mit Ruhe und Präsenz – so lange, bis die Zusammenhänge für dich erkennbar, fühlbar und sichtbar werden. Lausche mit deinem ganzen Wesen, denn das Herz kann Dinge verstehen, die für den logisch und linear denkenden Verstand erstmal keinen Sinn ergeben. Wenn du etwas nicht verstehst, das dich selbst betrifft, höre dir selbst gut zu, lausche, fühle, schaue sanft nach innen. So offen, oft und lange, bis du zu verstehen beginnst. Vielleicht brauchst du dafür Begleitung von einer Person, die darin geübt ist und dich anleiten kann. Vielleicht brauchst du jemanden, der dir dabei hilft, deinen Körper zu spüren, deine Gefühle wahrzunehmen oder innere Bilderbotschaften zu empfangen. Vielleicht brauchst du Unterstützung, um deinen Wahrnehmungen zu vertrauen oder deine ureigenen Antworten und deinen persönlichen, authentischen Umgang mit all dem zu finden, was du nun wahrnehmen, sehen, fühlen und verstehen kannst.

Wenn der Verstand am Ende ist, verstehe ich das als Einladung, ganzheitlich zu lernen, wobei Ganzheit mit Gesundheit gleichgesetzt werden kann. Wenn es an der Zeit ist, dass wir auch andere Formen des Verstehens zulassen, werden wir da hingeführt, wo wir mit dem logischen Denken allein nicht weiterkommen. Etwas nicht zu verstehen, ist so gesehen eine Chance, ganzer und somit ausgeglichener und gesünder zu werden.

Wie reagierst du, wenn du etwas oder jemanden nicht verstehst?

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