Lebe deine Bestimmung…
… und nicht deinen Traum*
Manchmal gibt das Leben Zeichen.
Ich hatte schon mehrere Versuche zu diesem Thema geschrieben und war immer noch unsicher, wie ich das Thema angehen sollte. Oder sollte ich das Thema einfach sein lassen, fragte ich mich? Doch dann kam es mit einer Klientin so deutlich und klar durch meine Praxistüre hineinspaziert, dass ich den Blog einfach schreiben musste.
Die Klientin kam mit dem Wunsch, mehr darüber zu lernen, warum sie immer noch Single war und was sie eventuell dafür tun könnte, um das zu ändern.
Wir vereinbarten, dass ich ihr eine Sitzung mit Noetic Field Balancing geben würde, in der es darum geht, blockierende Glaubenssätze aufzudecken.
Ziemlich schnell kamen wir zu einem Punkt, an dem die die Klientin, eine engagierte und attraktive Frau, formulieren konnte, dass sie sich schon früh im Leben anders gefühlt habe als andere Menschen. Ich spürte, dass ihr Anderssein auch ihr Spezialtalent war und fragte deshalb:
Was, wenn dein Anderssein dein Spezialtalent ist, mit dem du der Welt am meisten Gutes tun kannst?
Sie spürte sofort, dass sie eine positive Resonanz auf diese Sichtweise hatte, und so fragte ich, ob sie wisse, was ihre ganz besondere Stärke sei. Ihre Antwort: Meine Sanftheit und mein Mut, meine Verletzlichkeit zu zeigen.
Demgegenüber stand ihre Art, sich sehr anzustrengen, für alles zu kämpfen und mit sehr viel Anspannung und Tempo durchs Leben zu gehen. Sie war eine Frau, die eher schnell und mit viel Engagement und Druck in der Stimme sprach.
Ich erklärte ihr, dass sie sich immer dann, wenn sie etwas mit Anspannung tut, von sich selbst entfernt, und sie konnte spüren, dass dies stimmte. Sie konnte erkennen, wie sie immer wieder mit viel Anstrengung für Dinge kämpfte und dabei ihr Spezialtalent, nämlich ihre Sanftheit und ihre Verletzlichkeit dabei verlor.
Sie merkte, dass sie aus der Kraft der Liebe wirken wollte und nicht aus der Kraft des Wollens, die sie ständig gepusht hatte und in die Verkrampfung und Erschöpfung führte. Sie hatte aber noch einen Weg vor sich.
Wir versuchten also herauszufinden, in welcher Situation sie gelernt hatte, sich so anzustrengen. Und sie erinnerte sich, wie sie in der Schule und im Sport für ihre Anstrengungen und die daraus resultierenden Erfolge gelobt worden war. Worauf sie sich in der Folge noch mehr anstrengte und ihre ruhige, sanfte Seite langsam in Vergessenheit geriet.
Durch die klare Sicht, die ihr das Balancing nun Schritt für Schritt verlieh, konnte sie erkennen, wie sie sich immer noch von Freunden, die sich über ihre Erfolge freuen und sie feiern wollen, zu Tempo und zum Weitermachen antreiben lässt, auch wenn sie längst Zeit zum Innehalten braucht, in der sie wieder zu sich finden kann.
Gemeinsam entdeckten wir die Glaubenssätze, die sie daran hinderten zu entspannen und ihre Sanftheit zu leben.
Ohne Fleiss kein Preis.
Von nichts kommt nichts.
Das Leben ist kein Ponyhof.
Das waren nur einige dieser Glaubenssätze. Als deren Wirkung auf sie langsam nachliess, spürte sie einen tiefen, warmen Schmerz, der ihr Tränen in die Augen trieb. Sie begegnete dem kleinen Sterben. Das Sterben von jenem Teil von ihr, der gelernt hatte, alles mit Anstrengung zu tun und mit dem sie sich identifiziert hatte.
Doch dann stoppte sie den Prozess unvermittelt. Der Körper spannte sich an. Die warmen Tränen versiegten, und das Kämpfen setzte wieder ein. Ich fragte sie, was gerade passiert sei.
Sie antwortete: «Ich denke an all meine Träume, die ich noch erreichen will.» «Machen diese dich denn glücklich?» «Nein», sagte sie, «aber es wäre cool, das alles zu erreichen.» «Macht es denn Freude, dahin zu kommen?» «Nein, für mich ist es viel zu viel und viel zu anstrengend, aber alle sagen, dass es cool wäre, diese Dinge zu haben. All diese Erfolge, das aufregende Leben, das Abenteuer, die perfekte Beziehung, den perfekten Body.»
Schon das Zuhören war anstrengend für mich, aber ich muss zugeben, dass die Energie ganz schön ansteckend war. Und ich konnte mir gut vorstellen, wie dieser Kraftstrom einen mitreissen und antreiben kann, nach den Sternen zu greifen, Himmelsleitern zu erklimmen und Träume zu verwirklichen. Zugleich dachte ich, ob es sich lohnt, hart dafür zu arbeiten, wenn viel kostbare Lebenszeit dabei draufgeht und wertvolle Freundschaften, wichtige Werte und vielleicht sogar die Gesundheit auf der Strecke bleiben, ohne dass dies alles irgendeinmal den wirklichen Frieden und echtes Glück bringen würde.
Man kann durchaus süchtig werden nach Highlights. Nur – kaum ist es vorüber, fällt man leer und erschöpft zurück und muss dann wieder aufholen, weil in dieser Welt niemand zurückfallen darf. Man muss kämpfen. Von Anfang an und bis am Schluss. So lebt man seine Träume, und so ist man glücklich, meinen viele.
Wie fühlst du dich, wenn du an deine Träume denkst?
Ich stellte mir vor, sie würde immer wieder diese Highlights erleben – ein Wow und Bewunderung hier und Komplimente da – für ihre Erfolge, für die (zumindest von aussen gesehen) perfekte Beziehung, das Haus und den durchtrainierten Body. Sie würde weitereilen und der Leere, die in den Zeiten dazwischen zwangsläufig auftauchen würde, versuchen auszuweichen.
Ich wollte ihr die Chance geben, diesen Kreislauf zu unterbrechen und sagte: «Im Leben geht es darum, deine Bestimmung zu leben, nicht deine Träume.»
Das verstand sie zuerst nicht. Doch als wir den Glaubenssatz ‘Ich muss meine Träume leben und dafür kämpfen’ auflösen konnten, entspannte sie sich. Und sie konnte sehen, dass für sie eine Welt aufgehen würde, in der sie etwas Echteres leben konnte, etwas Erfüllenderes, ihre Sanftheit und Weisheit, sollte sie bereit sein, ihre Träume zu opfern.
Diese Möglichkeit berührte sie tief und erlaubte ihr einen weiteren kleinen Schritt in Richtung des kleinen Sterbens, das aus anderer Perspektive eine Befreiung ist. Und eine weitere warme Träne folgte auf einen tiefen Atemzug.
Das ist aber irgendwie zu einfach. Das ist zu schön, um wahr zu sein, sagte sie. Doch diese Sätze wirkten nicht mehr. Weil sie ihnen nicht mehr glaubte.
Sie spürte, dass es ihr Weg war, nicht mehr zu tun als sie konnte und auf ihren Körper zu hören, der ihr seit Jahren signalisierte, dass sie nicht in die Anspannung gehen sollte. Doch nun konnte sie auch das Geschenk dieses so oft angespannten Körpers sehen und sagte: «Wenn ich auf ihn höre, führt er mich direkt in die Sanftheit und damit in meine grösste Kraft.» Und ich konnte sehen, dass sie wirklich glaubte, was sie sagte.
Wir waren schon fast am Ende der Sitzung angelangt. Eine letzte Frage hatte sie noch auf dem Herzen: «Was hat das alles mit meinem Wunsch nach einer Beziehung zu tun?»
«Kommst du dir selbst näher», sagte ich, «bist du dem Menschen näher, der dich sehen kann und der zu dir passt.»
Das macht Sinn sagte sie. Sie konnte es annehmen.
Wir beendeten die Sitzung, indem ich ihren zum Anfang der Sitzung geöffneten Energiekörper wieder schloss.
Langsam stand sie auf und setzte sich mir gegenüber hin. Sie sah sehr zufrieden aus, als sie mir sagte: «Ich habe etwas gelernt heute: Im Leben geht es nicht darum, meine Träume zu leben, sondern meine Bestimmung.»
Da wusste ich, dass ich den Blog zu diesem Thema doch schreiben wollte. Die Klientin erlaubte mir, die Reise ihrer Sitzung zu erzählen. Vielen lieben, herzlichen Dank!
*Das Wort Traum wird im allgemeinen Sprachgebrauch für ganz unterschiedliche Bedeutungen benutzt. Manchmal ist «Traum» ein anderes Wort für deine Bestimmung. Wenn du an deinen Traum denkst, spürst du, dass dein Körper sich entspannt und weitet und eine leise Freude oder Frieden sich zeigen.
In diesem Post verwende ich das Wort «Traum» jedoch anders. Nämlich als Beschreibung für Vorstellungen, von denen du glaubst, du wärest erst glücklich, wenn sie Realität werden, und um diesen Traum wahr werden zu lassen, müsstest du nur hart genug arbeiten. Schon die Gedanken daran erschöpfen dich, bringen dich aus dem Gleichgewicht und weit weg von dir selbst.