Wofür würdest du alles stehen und liegen lassen?
Neulich hat mir eine Klientin erklärt, dass die Frage, die sie zu mir führt und auf die sie sich Antworten von ihrem weisen inneren Wissen wünscht, lautet: Was gibt mir so viel Freude, dass ich dafür alles stehen und liegen lassen würde?
Diese Frage blieb bei mir hängen, und ich habe sie mir selbst gestellt. Als Erstes ist mir aufgefallen, dass der Ausdruck «alles stehen und liegen lassen» für mich eher nach Ausnahmezustand als nach grosser Freude klingt. Die Antworten, die auf diese Frage zu mir kamen, haben mir denn auch gezeigt, welche Menschen, Wesen und Dinge mir so wichtig sind, dass ich buchstäblich alles stehen und liegen lassen würde, wenn sie in Gefahr wären oder plötzlich vor meiner Haustür auftauchen würden.
Also wollte ich die Frage umformulieren. Ich versuchte es mit: Was gibt mir so viel Freude, dass ich nie genug davon habe? Aber das klang mir zu sehr nach Sucht. Es gibt so viele Freuden, die lediglich diesen einen kurzen Kick auslösen und einen dann wie eine Süchtige nach dem nächsten Kick zurücklassen. Das hat nichts mit tiefer, erfüllender Freude zu tun und interessierte mich nicht. Ich bin kein Suchtmensch und viel zu gerne unabhängig.
Ich suchte weiter nach der richtigen Frage: Was gibt mir eine Freude, die mich erfüllt und lange anhält? Das fand ich okay. Das war die Frage, die ich meinem weisen inneren Wissen stellen wollte. Ich machte mir also einen Tee und trank diesen langsam, während ich der Frage Raum gab, bis sie meinen Körper, meinen Geist und den ganzen Raum um mich herum auszufüllen schien. Doch dann merkte ich, dass diese Frage noch nicht die richtige für mich war. Es war, als würden die Worte Freude und Erfüllung nicht in die gleiche Richtung ziehen. Da ich weiss, wie wichtig die richtige Frage ist, formulierte ich sie noch einmal um: Worauf freue ich mich jeden Tag, weil ich spüre, dass es mir guttut?
Diese Frage fühlte sich nicht nur gut an, sie fühlte sich auch richtig an, und noch bevor ich mich tief entspannen und die Frage auf mich wirken lassen konnte, kamen mir schon unzählige Antworten. Es sprudelte nur so, und ich war erfreut darüber, so viele freudvolle Momente in meinem Alltag zu finden. Das war mir in der Summe noch gar nie aufgefallen.
Hast du schon mal all deine freudvollen Momente an einem einzigen Tag gezählt? Es könnten mehr sein, als du denkst. Und es könnte Spass machen, ihnen ein bisschen mehr von deiner Aufmerksamkeit zu schenken. Ich hatte auf jeden Fall viel Spass, und ich wollte mich diesen freudvollen Momenten nun einmal ganz bewusst zuwenden. Ich fragte mich, ob es etwas gab, das all diese freudvollen Momente gemeinsam haben. Die Antwort kam schnell. Noch bevor ich richtig darüber nachdenken konnte, hatte ich ein Wort auf den Lippen und spürte es gleichzeitig im ganzen Körper und in allen Ebenen meines Wesens. Das Wort war Kontakt.
Dieser Moment, in dem Kontakt entsteht, ist magisch. Damit meine ich die Qualität, die entsteht, wenn ein Gefühl der Verbundenheit da ist. Ich kann mit jemandem reden, ohne mit ihm im Kontakt zu sein. Dann ist das Leben grau. Kontakt dagegen lässt mich lebendig fühlen. Kontakt macht das Leben intensiv, schön, farbig und sinnvoll. Kontakt öffnet Türen. Türen zu mir selbst, zum Fühlen, zu anderen Menschen, zur Natur, zu allem. Hier ist echtes Begegnen und Kennenlernen, heilsames Zuhören, wertfreies Gesehenwerden möglich – Dinge, die nur im Zusammensein mit Kontakt möglich sind. Kontakt ist Menschlichkeit. Mitgefühl. Nährboden für eine gesunde Potenzialentfaltung. Bei allem, was ich tue, suche ich Kontakt. Wer den Unterschied zwischen Begegnungen mit und ohne Kontakt kennt, weiss, dass alles viel einfacher ist, wenn man im Kontakt und somit verbunden ist. Jede Begegnung, egal ob beruflich oder privat, jedes Gespräch, jede Auseinandersetzung wird leichter, wenn eine Verbindung da ist. Jede Umarmung, bei der Kontakt entsteht, ist der Himmel, während eine Umarmung ohne Kontakt sich anfühlt, als würde man eine Betonsäule umarmen. Kontakt ist weich, kraftvoll und warm.
Kontakt ist auch ein schönes Workshopthema. Alles wird einfacher, wenn man weiss, wie Kontakt sich anfühlt und wie man ihn herstellen kann. Ich könnte noch viel mehr über die Magie des Kontakts erzählen. Das tue ich gerne später einmal, in einem anderen Blog. Hier soll es ja um die Frage gehen, was Freude in dein, in mein, in unser Leben bringt.
Worauf freust du dich jeden Tag, weil du spürst, dass es dir guttut?
